Gera. In den Altersklassen von der U 6 bis zur U 11 (G- bis E-Junioren) geht der Kinderfußball in Deutschland seit kurzem mit einem neuen Konzept an den Start. Alle 21 Landesverbände des DFB beteiligen sich an der erweiterten Pilotphase. Welche Auswirkungen und Konsequenzen, welchen Stellenwert das für den Thüringer und Ostthüringer Fußball hat, erklärt der Vorsitzende des Jugendausschusses im KFA Ostthüringen, Rainer Müller aus Niederpöllnitz. Mit dem erfahrenen C-Trainer-Lizenz-Inhaber und Schiedsrichter sprach Manfred Malinka.
Was hat es mit den neuen Spielformen auf sich?
„Die 10 Goldenen Regeln des Kinderfußballs“, wie die Aktion genannt wird,fassen die bisherigen Spielformen und Trendsportarten wie Futsal, Fonino und Fairplay-Liga zu einem Begriff zusammen. Das macht vieles für die Kinder, die Eltern, die Zuschauer und die Trainer leichter. Endlich wurde ein geeigneter Name für die große Sache des Nachwuchsfußballs von G- bis E-Junioren gefunden. Ich finde das eine sehr gute Geschichte, weil damit der Nachwuchsfußball erfolgreicher und attraktiver gestaltet werden kann.
Worauf zielen die 10 Goldenen Regeln ab?
Das Spielen mit dem Ball am Fuß und das Erzielen von Toren sind die zentralen Gründe, warum so viele Kinder und Jugendliche Freude am Fußball haben. Die neuen Spielformen sollen allen Kindern auf dem Platz so häufig wie möglich die Chance geben, den Ball selbst am Fuß zu haben, aktiv am Spiel teilzunehmen, Tore zu erzielen und damit persönliche Erfolgserlebnisse zu haben. Deshalb wird bei der Spieleranzahl auf kleinere Mannschaften, viel Abwechslung und zum Teil auf Spielformen mit vier Toren gesetzt. Dies soll die individuelle sportliche Entwicklung der Kinder und Jugendlichen fördern, ihre Begeisterung für den Fußball verstärken und so viele wie möglich als langfristige Mitglieder der Fußballfamilie gewinnen. Die Reform soll den gesamten Fußball und seine Vereine an der Basis langfristig stärken.
Was besagen die neuen Spielformen genau?
Beispielsweise wird wie bei den Allerjüngsten, den sechs- und siebenjährigen G-Junioren,im Zwei-gegen-Zwei oder Drei-gegen-Drei bei einer Spielfeldgröße von 16x20 bis 28x22 Metern gespielt. Jede Mannschaft hat maximal zwei Einwechselspieler. Gespielt wird auf vier Mini-Tore, zwei gehören jedem Team, das diese verteidigen muss. Treffer zählen bei 2-2 erst ab der Mittellinie und bei 3-3 nur in einer Sechs-Meter-Schusszone. Einen Torwart gibt es nicht. Nach jedem Tor wechseln beide Mannschaften automatisch jeweils einen Spieler. Gespielt wird in Turnierform, empfohlen sind bis zu sieben Durchgänge à maximal sieben Minuten. Nach jedem Durchgang gehen die Gewinnerteams jeweils ein Spielfeld weiter, die Verliererteams jeweils um ein Spielfeld zurück. Dadurch werden weitgehend ausgeglichene Spiele mit wenigen extremen Ergebnissen erreicht, es ergibt sich ein ausgewogeneres Leistungsniveau und daraus resultierend weniger Frust für die Kinder. Außerdem sind ja alle Spieler einbezogen, sodass keiner friert oder Karten spielt. Auf der anderen Seite bietet der Modus einen zusätzlichen Anreiz, immer wieder „aufsteigen“ zu können.
Ähnliche Spielformen hat es doch auch früher schon gegeben. Warum kommt der DFB erst jetzt damit heraus, ist es nicht zu spät?
Ja, ähnliche Spielformen gab es natürlich schon. Aber in so komprimierter und detaillierter Form gab es das noch nicht. Ich könnte über jede der zehn Regeln viel erzählen, weil ich auch voll dahinter stehe. Der DFB kommt jetzt damit, weil festgestellt wurde, dass in vielen Vereinen 20 Jahre lang auf eingefahrenen Gleisen gefahren wird, weil man dort sagt: Das haben wir doch schon immer so gemacht. Und genau das ist falsch und bringt den Fußball nicht voran.
In dieser Frage spielt ja sicherlich auch die Qualität der Übungsleiter eine Rolle?
Zu einhundert Prozent. In vielen Vereinen sind Übungsleiter tätig, die nicht einmal einen Grundlehrgang als Übungsleiter absolviert haben, geschweige denn eine Lizenz. Oftmals sind sogar die Väter von Spielern die Coaches. Daher hatte der DFB, auch der TFV, vor, ab 2023 nur noch Übungsleiter an den Mannschaften arbeiten zu lassen, die eine Qualifikation haben. Das ist zunächst auf 2024 verschoben. Man muss bedenken, dass ja alles im Ehrenamt läuft und dann viele jetzige „Betreuer“ aufhören würden.
Wie will und kann man das verhindern, dass dann viele „Trainer“ das Handtuch werfen?
Die entsprechenden Gremien müssen zunächst in den Vereinen Personal finden, dass bereit ist, ehrenamtlich etwas zu tun und sich zu qualifizieren. Sie sollten beispielsweise mal zu einer Hospitation in die Trainingsstützpunkte in Gera oder Altenburg, auch in unser neues Ausbildungs- und Schulungszentrum in Nöbdenitz kommen, um sich Trainingseinheiten mit lizenzierten Trainern anzusehen. Wir müssen versuchen, die Übungsleiter in kleinen Schritten an das große Ganze heranzuführen.
Abschließend noch die Frage nach Talenten in Ostthüringen. Die Geraer Tobias Werner (u.a. FC Augsburg) und Florian Trinks(u.a. Werder Bremen) haben ja mittlerweile ihre Laufbahn beendet. Sind künftige Bundesligaprofis aus Gera und Umgebung in Sicht?
Derzeit leider nicht. Auch müssen wir uns glücklicherweise nicht mit der 50+1-Regel befassen. Wir versuchen schon, jeden Spieler der möchte, auch Verbandsliga spielen zu lassen, beteiligen uns als KFA auch an zwei Pilotprojekten des TFV. Eines davon besagt, dass bspw 17-jährie A-Junioren auch noch in den B-Junioren spielen dürften. Oder, dass bei Spielen bis zu den B-Junioren unbegrenzt ein- und ausgewechselt werden darf. Stolz sind meine Mitstreiter Susann Lindenberg und Andreas Damm für den Kinderfußball und alle anderen Staffelleiter, dass wir in Ostthüringen von den A- bis zu den G-Junioren auf 157 Mannschaften im Spielbetrieb verweisen. Und wir haben Zulauf.